Französisch 4 – Repertoirebücher für Weiß

Gehen wir nun über zu den Repertoirebüchern aus weißer Sicht bzw. zu den Spezialmonographien, die sich nur mit einem Abspiel der Französischen Verteidigung befassen.

Die Vorstoßvariante aus weißer Sicht

Die Werke aus weißer Sicht, die sich mit der Vorstoßvariante befassen, sind bereits etwas in die Jahre gekommen. Evgeniy Sweschnikows russische Ausgabe ist von Olms in zwei Bänden ins Deutsche übersetzt worden (Französisch Vorstoßvariante, Band 1 (175 Seiten)  und Bd. 2 (135 Seiten). Ferner veröffentlichte der irische IM Sam Collins eine Partiensammlung zur Vorstoßvariante (Everyman Chess 2006). Die theoretische Auseinandersetzung dreht sich um die Varianten in denen Weiß 6.a3 spielt. Seitdem die Entdeckung gemacht wurde, dass der von Uhlmann in mehreren Partien gespielte Angriff auf die Spitze der Bauerkette mittels f7-f6 nicht mehr zum Ausgleich taugt, haben sich die Schwarzspieler andere Verteidigungsmöglichkeiten zurecht gelegt.

Die Tarrasch-Variante aus weißer Sicht

Die Tarrasch-Variante gegen Französisch propagieren zwei Autoren. Der griechische IM Andreas Tzermiadianos empfiehlt in seinem 2008 bei Everyman Chess erschienenen “How to beat the French defence: the essential guide to the Tarrasch”

folgende Abspiele nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2:

3…Sc6 4.Sgf3 Sf6 5.e5 Sd7 6.c3

3…Le7 4.Ld3 c5 5.dxc5 Sf6 6.De2

3…c5 4.Sgf3 cxd4 5.exd5 Dxd5 6.Lc4 Dd6 7.0-0 Sf6 8.Sb3 Sc6 9.Sbxd4 Sxd4 10.Sxd4 a6 11.Te1 Dc7 12.De2

3… c5 4.Sgf3 Sc6 5.exd5 exd5 6.Lb5 Ld6 7.dxc5 Lxc5 8.0-0 Sge7 9.Sb3 Ld6 10.Te1 0-0 11.Ld3

3…Sf6 4.e5 Sfd7 5.Ld3

3…dxe4 4.Sxe4 Ld7 5.c4

3…dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Sf3 Sgf6 6.Ld3

In den ersten Kapiteln „How we work in the opening“ „Middlegame Strategy“ und „Typical Endgames“ untersuchte er typische Strukturen und gibt allgemeine Hinweise.

Das Buch enthält eine Menge eigener – natürlich mit einem Engine erstellter – Analysen. Aus seiner Bibliographie wird deutlich, dass er die zuvor erschienene Literatur gründlich studiert hat. Ein Beispiel:

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Sc6, von John Watson in seinem „Dangerous Weapons-Buch“ analysiert – 4.Sgf3 Sf6 5.e5 Sd7 6.c3 f6 7.Lb5 fxe5 8.dxe5 Le7 9.Sd4 NSxe5 10.f4! a6! 11.Dh5+ Kd7 12.Lxc6+! (besser als das von Watson angegebene 12.Dxe5 axb5 13.Dxe6+ Ke8 14.De2 Kf7) 12…Sxc6 13.S2f3

Und nun empfiehlt Watson 13…Lf6 – statt Tzermiadianos‘ Hauptvariante 13…Ld6 14.Le3! De8 15.Dh3 Sxd4 16.Lxd4 mit der Idee 16…Lxf4 17.0-0 De7 18.Tae1 – mit der weiteren Folge 14.Le3 De8 15.Dh3 b6! 16.0-0 Sxd4 17.Lxd4 Kc6 18.Dg3 Kb7 19.Tae1 Df7 20.Se5 De7

mit weißer Kompensation. Das analytische „Ping-Pong-Spiel“ der Autoren  trägt dazu bei, das Verständnis der behandelten Variante zu vergrößern. Ob es Weiß tatsächlich gelingen kann, in allen Hauptvarianten einen Vorteil nachzuweisen, bleibt zweifelhaft. „How to beat the French defence“ ist ein Buch, welches auch für den Schwarzspieler von Interesse ist. Viele Nebenvarianten werden ausführlich analysiert, die in den „schwarzen“ Repertoirebüchern keine Erwähnung finden.

Bei Repertoirebüchern stellt sich generell die Frage nach der Konsistenz des Repertoires. Der russische Großmeister Denis Yevseev hat ein neues Konzept (Fighting the French. A New Concept, 2011)

entworfen. Weiß spielt 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 und setzt weiter fort mit Sgf3, Ld3, c3, 0-0 – unabhängig davon, wie Schwarz sich aufbaut. Bisher wurde diese Konzept aus einem einfachen Grund noch nicht populär. Schwarz kann auf e4 und d4 die Bauern tauschen, so dass Weiß mit einem Isolani verbleibt.

Der bulgarische Verlag Chess Stars hat dieses Buch verlegt, welches auf einem didaktisch wohl durchdachten Ansatz beruht. In einer Kurzusammenfassung zu Beginn eines Kapitels wird die Hauptvariante als „Quick Repertoire“  vorgestellt. Anschließend werden die Abspiele „step by step“ analysiert. Zum Abschluss folgen knapp kommentierte Partien, in denen die typischen Mittelspielpläne vorkommen. Aus der Perspektive eines Vereinsspielers, der sich in wenigen Minuten auf eine Partie vorbereiten möchte, ist dies stimmiges Konzept.

Teil 1 des Buches behandelt die Rubinstein-Variante 1 e4 e6 2 d4 d5 3 Sd2 dxe4 4.Sxe4, Teil 2 befasst sich mit den selten gespielten Varianten wie 3.Sc6 und 3…Le7, 3..a6, die durch Zugumstellung in den ausführlichen dritten Teil übergehen können:  The Isolated Queen’s Pawn, 1 e4 e6 2 d4 d5 3 Sd2. Die von Yevseev vorgeschlagenen Stellungstypen können auch in anderen Eröffnungen entstehen, z.B. in der Karpow-Variante in Nimzoindisch und dem Panow-Angriff in Caro-Kann. Der Autor analysiert 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5 4.c3 Sc6 5.Sf3 Sf6 6.Ld3 cd4 7.cd4 8.dxe4 9.Sxe4 Le7. Er macht dem Leser keine falschen Versprechungen: „Mit der  Diagrammstellung

haben wir eine der Schlüsselstellungen dieses Buchs erreicht. Darüber hinaus ist dies aus der Perspektive, einen Eröffnungsvorteil nachzuweisen,  die schwierigste Stellung für Weiß von allen in diesem Buch betrachteten Varianten. In der Tat ist es durchaus möglich, dass die Stellung gleich ist und Weiß überhaupt keinen Vorteil hat.“

Es folgt ein Plädoyer für eine Herangehensweise, die typischen Pläne in einer Stellung zu kennen.

Yevseevs Hauptabspiele sind 10.Sc3 und 10.Le3. Nach 10.Sc3 ist seine Hauptvariante 10..b6 11.a3 Lb7 12.Te1 Tc8 13.Lc2 Tc7 14.Le3 Da8 15.Dd3 Td8 16.d5

Tcd7 17.Tad1 g6 18.dxc6 Txd3 19.cxb7

mit weißem Vorteil.

Die Stellung nach 12.Te1 kann mit einem weißen Mehrtempo auch im Panow-Abgriff entstehen: 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3 e6 6.Sf3 Le7 7.cxd5 Sxd5 8.Ld3 0-0 9.0-0 Sc6 10.Te1 Sf6 11.a3 b6 12.Lc2 Lb7 13.Dd3

Karpow und Podgaets analysieren in ihrem 2006 bei Batsford erschienenen Monographie „Caro-Kann Defence Panov Attack“ hier als Hauptvariante 13…g6 nebst 14.Lh6 Te8 15.Tad1.

13…Tc8 wäre wegen 14.d5 bereits ein schwerer Fehler gewesen.

Gegen Systeme, in denen Schwarz sich weigert auf e4 zu tauschen und den Bauern d4 mit Db6 und Sc6 angreift, schlägt der Autor vor, diesen zu opfern. Um den Französisch-Spieler aus den von ihm bevorzugten geschlossenen Stellungstypen zu locken, erscheint das vorgeschlagene Spielsystem eine beachtenswerte Alternative. Die Stellungen mit dem Isolani mögen objektiv ausgeglichen sein – Schwarz muss sich allerdings auf Stellungstypen einlassen, die er normalerweise nicht auf das Brett bekommt.

3.Sc3 aus weißer Sicht

3. Sc3 bleibt der schärfste Bekämpfungsversuch gegen Französisch. Der Weißspieler kann auf die 2006 und 2007 von Alexander Khalifman herausgegebenen Bände in der Reihe 6 und 7 von „Opening for White according to Anand“ zurückgreifen, die wahrscheinlich in absehbarer Zeit in einer überarbeiteten Auflage erscheinen werden.

Bedauerlicherweise ist nie ein Nachfolgeband zu dem von Stefan Kindermann und Ulrich Dirr verfassten ausgezeichneten Bd. 1  Französisch – Winawer 7.Dg4 0-0 erschienen.

Der bereits erwähnte Viktor Moskalenko nahm sich in seiner 2010 von New in Chess verlegten Monographie einer alten Liebe an: „The Wonderful Winawer. Strategic Ideas & Surprise Weapons for Dynamic Chess Players”.

The Wonderful Winawer

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Autor erläutert anhand von Musterpartien den Stand der Theorie nach dem Vorbild seines bereits erwähnten Werkes „The flexible French“. Drei Kapitel widmet er den weißen und schwarzen Abweichungen ohne 4. e5 bzw. mit 4.e5 c5 ohne a3. Zwei Kapitel behandeln den „Sub-Winawer 4.e5 c5 6.a3 Lxc3 7.bxc Se7 und nun entweder 7.a4 oder 7.h4. In der Sektion „The Old Winawer“ werden die Armenische Variante 6…La5 und die weniger populären Verteidigungen des Bauern g7 nach 7.Dg4 analysiert, nämlich 7…Sf5 und 7…Kf8. In den drei Schlusskapiteln der Sektion „Ultimate Winawer“ werden die Warschauer Variante 7…0-0, die Bauernopfervariante 7…Dc7 sowie die seit einigen Jahren in Mode gekommene Variante 6…Da5 betrachtet. New in Chess hat sich bei diesem Buch entschieden, die von Everyman Chess entwickelte Zeichensprache zu verwenden – natürlich in leichten Abänderungen. Statt einer Kanone kann der Leser häufig eine Pistole erblicken. Moskalenko bietet auch in diesem Buch mehr als eine Fülle von Varianten. Der Leser wird in die typischen Pläne eingeführt. Kurzusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels erlauben eine schnelle Orientierung, ob die behandelte Variante als spielbar gilt. Ein Lob gebührt dem mehrseitigen Variantenindex und der Aufnahme eines Spielerindexes.